„Als Doktorand habe ich von Götz viel über Science Diplomacy gelernt und darüber, wie bedeutsam es ist – gar eine Verantwortung – sich als Kernphysiker in internationale politische Debatten einzubringen. Nicht nur in meiner Hamburger Zeit hat er mich in diese spannende Welt eingeführt. Er ist stets Türöffner für mich – bis heute!”
Malte Göttsche, RWTH Aachen
So wie Malte Göttsche es hier beschreibt, hat Prof. Dr. Götz Neuneck (Institut für Friedensforschung und Sicherheitkspolitik Hamburg) das Leben vieler Wissenschaftler*innen geprägt und fundiert als Mentor, Lehrer und Leitbild. In der Politik und Diplomatie wird sein Rat stets geschätzt. Nun wurde er für diese Leistungen und seine wissenschaftlichen Erfolge geehrt: Am 03.05.2022 hat Götz Neuneck im Auswärtigen Amt zusammen mit Harald Müller (Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung) das Bundesverdienstkreuz für sein Lebenswerk von Staatssekretärin Susanne Baumann verliehen bekommen. Ihn ihrer Laudatio würdigte sie seine langjährige Arbeit als „außerordentlich fachkundigen Experten für Abrüstung, Rüstungskontrolle und nukleare Nichtverbreitung“ und als „große Bereicherung für die deutsche Außenpolitik.“
Der ehemalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hebt Götz Neuneck Bedeutung für die deutsche Außenpolitik in seiner Gratulation hervor:
„In einer Zeit, in der selbst frühere Mitglieder der Friedenbewegung und Wehrdienstverweigerer zu lautstarken Vertreterinnen und Vertretern deutscher Waffenexporte geworden sind, ist es gut, wenn jemand geehrt wird, der sein ganzen Forscherleben und sein persönliches Engagement der naturwissenschaftlichen Friedensforschung verschrieben hat: Prof. Dr. Götz Neuneck war als Physiker und promovierter Mathematiker lange Zeit am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg tätig. Abrüstung, Rüstungskontrolle und Rüstungstechnologien, die Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Raketenabwehr und Weltraumtechnologien waren seine Forschungsschwerpunkte, die ihn auch zum geschätzten Gesprächskollegen aus den USA und aus Russland machten, um gemeinsam in der „Deep Cuts Commission“ über die Zukunft der Abrüstung zu beraten. Solche Forschungsschwerpunkte und Arbeitsgruppen hören sich angesichts des brutalen Angriffskrieges Russlands in der Ukraine und der täglichen Sorge um die damit verbundenen Eskalationsgefahren bis hin zum Nuklearkrieg heute an wie ein Echo aus längst vergangener Zeit. Einer Zeit, in der nicht nur von einer weniger gefährlichen Welt geträumt, sondern auch hart dafür gearbeitet wurde. Tatsächlich aber brauchen Europa und die Welt heute mehr denn je Forschung und Engagement für eine Beendigung des Krieges gegen die Ukraine, für Waffenstillstand, die Rückkehr zur Abrüstung und für die Sicherung des Friedens nicht nur in Europa. Dazu gehört Mut und Optimismus, dass die Welt immer wieder zum Besseren gewendet werden kann. Ich habe Prof. Götz Neuneck als eben solchen Menschen kennengelernt, der sich nicht nur den Glauben an eine friedlichere Welt bewahrt hat, sondern auch aktiv dafür gearbeitet hat und es immer noch tut. Deshalb danke ich ihm sehr für sein Engagment und gratuliere sehr herzlich zu der Auszeichnung.“
Sigmar Gabriel, ehemaliger Außenminister
„Die Innovations- und Wissenszyklen beschleunigen sich immer schneller. Diplomaten als Universalisten sollten hier mehr Unterstützung und technisches Hintergrundwissen haben. Science Diplomacy sollte nicht nur ein schmückendes Wort sein, sondern auch ein personell zu unterfütterndes Programm, mit Geduld, guten Konzepten und internationalen Netzwerken. Abrüstung und Rüstungskontrollideen inkl. Verifikation können so verbreitet und abgesichert werden.“
„Dafür ist es nicht nur nötig junge Leute zu fördern, sondern auch Diplomaten und Diplomatinnen zu Fragen von Wissenschaft, Technologie und Konfliktforschung besser auszubilden. Weiterhin muss man geduldig den kooperativen Weg fortsetzen. Die Zeit für neue Kooperative Sicherheit wird sicher wieder zurückkehren. Dafür muss eben Raum geschaffen werden.“
Götz Neuneck, IFSH
Dieser Artikel würdigt anlässlich der Preisverleihung den Einsatz von Prof. Neuneck für die naturwissenschaftliche Friedens- und Konfliktforschung und beschreibt, wie er das Leben und die Arbeit seiner Mitmenschen geprägt hat.
Studium und Forschung
Neunecks Studium war besonders von den Diskussionen der 1980er Jahre über die Stationierung von Mittelstreckenraketen sowie den neuen Entwicklungen bei nuklearen Waffensystemen geprägt, wobei er 1982 bei einem Treffen über diese Themen auch Annette Schaper, Jürgen Scheffran, Wolfgang Liebert und Jürgen Altmann kennenlernte, welche später auch zur naturwissenschaftlichen Friedensforschung beitrugen. Seine wissenschaftliche Karriere führte ihn von Düsseldorf über Starnberg nach Hamburg, aber auch zu Besuchen in den Iran oder an die Grenze von Nordkorea.
Götz Neuneck studierte zunächst Physik in Düsseldorf, wo er 1984 sein Diplom erhielt. Anschließend arbeitete er in der Arbeitsgruppe von Horst Afheldt und Carl-Friedrich von Weizsäcker in der Max-Planck-Gesellschaft in Starnberg und schloss 1995 seine Promotion in Mathematik an der Universität Hamburg ab, wo er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) wurde. Schon seit Ende seines Physikstudiums beschäftigte sich Neuneck mit dem Einfluss von neuen rüstungsrelevanten Technologien und wissenschaftlichen Erkenntnissen auf die moderne Kriegsführung und die internationale Politik. Außerdem arbeitete er in diversen Forschungsprojekten an Themen der Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung und Abrüstung. Seine Forschung basierte insbesondere auf Technikfolgenabschätzungen nach sicherheits- und friedenspolitischen Kriterien, wobei er auch mit Regierungsdelegationen arbeitete oder Anhörungen und Gutachten für den Bundestag und im UN-Kontext erstellte. Mehrmals war er Mitglied der deutschen Delegation zu Fragen der Abrüstung und Nichtverbreitung in Genf, Wien und New York. So fasste Jürgen Scheffran in seiner Gratulationsrede anlässlich Götz‘ Neunecks 60. Geburtstags sein Engagement zusammen:
Wissenschaft findet nicht im luftleeren Raum oder im Elfenbeinturm statt, sondern in einem gesellschaftlichen und in einem menschlichen Umfeld. Dafür stehst Du, Götz, wie nur wenige“.
Jürgen Scheffran, Uni Hamburg
Aktuell ist Götz Neuneck am IFSH Senior Research Fellow und Professor an der MIN-Fakultät der Universität Hamburg. Überdies ist er Mitglied des Council der „Pugwash Conferences on Science and World Affairs“, Pugwash-Beauftragter der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und Sprecher der Arbeitsgruppe Physik und Abrüstung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). In seiner Rede beschreibt er seine Motivation Physik und Sicherheitspolitik für die Rüstungskontrolle zu verbinden:
„Ich war beeindruckt von Diplomaten, die für die gleichen Ziele eintraten, wie unsere Vorbilder in Pugwash und in der Physik. Das Eintreten für die Nuklearwaffenfreie Welt und für Kriegsverhütung bleibt eine zentrale Daueraufgabe.“
Götz Neuneck, IFSH
Durch seine Arbeit hat er viele Kolleg:innen, wie Ulrike Beisiegel geprägt und ermutigt, sich interdisziplinär in der Friedensforschung zu engagieren:
„Der Einsatz von Götz Neuneck in der Friedensforschung hat mich schon als junge Wissenschaftlerin in meiner Arbeit in der Naturwissenschaftlerinitiative für den Frieden beeindruckt. – Seit 1 Jahr arbeite ich jetzt mit ihm im erweiterten Vorstand der VDW zusammen und schätze seinen Einsatz in der Studiengruppe ‚Europäische Sicherheit und Frieden‘. Seine fachliche Expertise und seine besonnene Haltung bei dieser Arbeit sind sehr wertvoll für die VDW. Von seiner besonderen Expertise werde ich zukünftig auch in der ‚Kommission für Ethik in der Forschung‘ am DESY profitieren, wo er mich als stellvertretender Vorsitzender unterstützt. Ich gratuliere zu der Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.”
Ulrike Beisiegel, Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V.
Neuneck war nicht zuletzt 1996 maßgeblich an der Gründung des Forschungsverbunds Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS) beteiligt und leistete hiermit einen großen Beitrag zur Förderung dieser Forschung. Immer wieder erinnert er neue Wissenschaftler*innen an die Relevanz ihrer Forschung und die gesellschaftliche Verantwortung eine*r jeden Wissenschaftler*in:
„Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten sich der humanistischen Wurzeln von Naturwissenschaft und Technik bewusstwerden und für das Leben forschen und nicht für den Tod“.
Götz Neuneck, IFSH
Götz Neuneck hat nicht nur zur naturwissenschaftlichen Erforschung von Rüstungskontrolle und der Möglichkeiten einer langfristigen Friedenssicherung beigetragen, sondern versteht es auch durch seine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge kommunikativ zu vermitteln, das Interesse neuer Wissenschaftler*innen zu wecken. Immer wieder hat er an die Verantwortung, welche im wissenschaftlichen Fortschritt steckt, erinnert. Somit ist er nicht nur ein fachliches, sondern auch ein menschliches Vorbild und wurde zum besonderen Wissenschaftler, aber auch zum Kollegen, Freund und zur Inspiration Vieler. Gratulationen gibt es nicht nur von allen Mitgliedern von FONAS, sondern auf von der DPG:
„Es ist mir eine besondere Ehre Herrn Prof. Götz Neuneck zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes persönlich und auch im Namen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft gratulieren zu dürfen. Götz Neuneck verfolgt seit vielen Jahren mit Engagement und Nachdruck, vor allem aber mit Eloquenz Themen rund um die Sicherheits- und Friedenspolitik. Er ist in jeder Hinsicht ein Vorbild und ist verdienter Träger des Bundesverdienstkreuzes.“
Lutz Schröter, Deutsche Physikalische Gesellschaft e.V.
Text von Josefine Süpke und Thea Riebe
Reden im Wortlaut
Laudatio der Staatssekretärin Susanne Baumann (Auswärtiges Amt) an Götz Neuneck
Dankesrede von Götz Neuneck zur Verleihung des Bundesverdienskreuzes