Ende Dezember ist die Sonderausgabe der „Die Friedens-Warte“ zum Thema „Zwischen Destabilisierung und der Ermöglichung von Resilienz“ erschienen, herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Christian Reuter (PEASEC, TU Darmstadt), Prof. Dr. Malte Göttsche (RWTH Aachen), Dr. Friederike Frieß (BOKU Wien), Prof. Dr. Pierre Thielbörger (RU Bochum) und PD Dr. Johannes Vüllers (Uni Duisburg Essen).
In dieser Ausgabe nähern wir uns dem Thema Resilienz aus den unterschiedlichen Perspektiven der Technikwissenschaften (mit einem Schwerpunkt auf neuen Technologien), der Sozialwissenschaften und den Rechtswissenschaften. Ein solcher interdisziplinärer Austausch innerhalb des Forschungsfeldes der Friedens- und Konfliktforschung ist aus unserer Sicht immens wichtig, zurzeit jedoch noch allzu rar.
Das heutige internationale Sicherheitsumfeld ist gekennzeichnet durch den Niedergang der klassischen Rüstungskontrollarchitektur, die Rückkehr der Großmachtpolitik und das schwindende Vertrauen zwischen den Staaten. Neue Entwicklungen im Bereich der Militärtechnologie und der Technologien mit Doppelverwendungsfähigkeit sowie Modernisierungsprogramme für Waffen machen die Bemühungen um Frieden und Sicherheit noch komplexer. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 ist allgemein anerkannt, wie wichtig es ist, sich mit diesen Fragen sachkundig auseinanderzusetzen.
Der erste Teil dieser Sonderausgabe basiert auf der interdisziplinären Konferenz Science Peace Security 2021 in Aachen, die sich mit den Auswirkungen neuer Technologien auf die Resilienz befasste. Gesucht wurden Konzepte zur Erreichung eines widerstandsfähigeren Sicherheitsumfeldes durch wissenschaftliche Beiträge und politische Maßnahmen zur Krisenbewältigung, Risikobewertung, Vertrauensbildung und Rüstungsbegrenzung. Untersucht wurden nukleare, biologische, chemische und weltraumgestützte Bedrohungen sowie Entwicklungen in der Informationstechnologie, wie z.B. Cyber- oder künstliche Intelligenz, sowie weitere relevante technischen Bereiche.
Nach zwei Begutachtungsrunden wurden die folgenden vier technischen Beiträge zur Veröffentlichung ausgewählt:
- Der Artikel „Die Militarisierung des Weltraums – einzigartige Möglichkeiten für Rüstungskontrolle“ von Arne Sönnichsen (Universität Duisburg-Essen), Sara Hadley (Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg), Jürgen Altmann (TU Dortmund), Maximilian Bertamini (Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV), Ruhr-Universität Bochum), Max Mutschler (Internationales Zentrum für Konfliktforschung Bonn) und Jürgen Scheffran (Universität Hamburg) befasst sich mit der wachsenden Besorgnis über eine zunehmende Militarisierung und mögliche Bewaffnung des Weltraums sowie seiner Entwicklung einem Kriegsschauplatz. Die Frage, ob Rüstungskontrolle hier eine Lösung ist oder ob Maßnahmen dieser Art vor dem Hintergrund der Komplexität von Weltraumtechnologien scheitern, wird in diesem Beitrag interdisziplinär aus physikalisch-technischer, politikwissenschaftlicher und (völker)rechtlicher Sicht analysiert. Diese Erkenntnisse werden zum einen genutzt, um den Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen (ABM-Vertrag) von 1972 zu diskutieren, zum anderen sollen sie verdeutlichen, dass unterschiedliche Aspekte in den einzelnen Disziplinen die Rüstungskontrolle im Weltraum nicht nur einschränken, sondern auch erleichtern können.
- Der Artikel „Quantentechnologien – ein neuer Bereich, der Folgenabschätzung braucht“ von Michal Krelina (tschechische TU Prag) und Jürgen Altmann (TU Dortmund) befasst sich mit dem aufstrebenden Gebiet der Quantentechnologie (QT), das durch einen großen Dual-Use-Faktor gekennzeichnet ist. Der Beitrag befasst sich mit der militärischen Ebene dieser Technologie – QT führt keine neuen eigenständigen Waffensysteme ein, sondern verbessern bestehende Waffensysteme und Führungs- und Kontrollsysteme erheblich. Ziel des Beitrages ist es daher, QT und ihre potenziellen (militärischen) Anwendungen, den aktuellen Stand und die Aktivitäten im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich sowie die damit verbundenen potenziellen Probleme für die internationale Sicherheit darzustellen.
- In ihrem Beitrag „Vertrauenswürdig? Eine europäische Vision von (bewaffneter) Künstlicher Intelligenz“ baut Stefka Schmid (PEASEC, TU Darmstadt) auf Arbeiten im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion (HCI) und der Technikfolgenabschätzung auf und befasst sich mit der Vision der EU von Künstlicher Intelligenz (KI) und dem Verständnis von Mensch-KI-Interaktion, einschließlich Erklärbarkeit, Interpretierbarkeit und Risiken. Eine solche interdisziplinäre Sichtweise ist relevant im Hinblick auf Debatten über die Entwicklung von KI mit Doppelverwendungsfähigkeit und die damit verbundene Innovationspolitik und trägt somit zu Debatten über die Bewertung von Visionen in professionalisierten politischen Kontexten bei.
- Der Beitrag „Kleine bewaffnete Flugzeuge und Flugkörper – Gefahren für die internationale Sicherheit“ von Jürgen Altmann, Mathias Pilch und Dieter Suter (TU Dortmund) präsentiert Informationen über kleine (Größe ≤ 2 m) und sehr kleine (≤ 0,2 m) unbemannte Luftfahrzeuge (UAVs), die in einer UAV-Datenbank gesammelt wurden. Da Streitkräfte zunehmend an solchen Klein- und Kleinstflugzeugen und -flugkörpern interessiert sind, wird in diesem Beitrag unter den Kriterien der präventiven Rüstungskontrolle eine Bewertung der zukünftigen technologischen Trends diskutiert. Darüber hinaus werden Optionen für präventive Verbote und Beschränkungen mit unterschiedlichen Graden der Nachvollziehbarkeit, der Vertrauensbildung und der Exportkontrolle erörtert.
Weitere Beiträge betrachten die sozial- und rechtswissenschaftlichen Themen und sind hier abrufbar.
Übrigens: Die Science Peace Security findet vom 20.-22.9.2023 wieder in Darmstadt statt, organisiert durch FONAS und TRACE. Beiträge können bis 15.3.2023 eingereicht werden.
(Dieser Text basiert auf dem Editorial des Special Issues bzw. stellt in weiten Teilen einen Auszug daraus dar.)